175 Jahre Eisenbahn: Vom Bahn- zum Autoland - und ein Weg zurück

Vor 175 Jahren fuhr mit der «Spanisch-Brötli-Bahn» die erste Eisenbahn in der Schweiz. Nach einer ersten, grossen Blütezeit wurde die Eisenbahn im 20. Jahrhundert vom Auto überflügelt – ehe mit Taktfahrplan, verbilligtem Halbtaxabo sowie Bahn 2000 eine Renaissance der Bahn möglich wurde.

SBB-Lok mit dem Motto Bahn Rail Ferrovia 2000 im Bahnhof Morges (VD)
Das Ausbauprogramm Bahn 2000 leistete für die Renaissance der Bahn einen wichtigen Beitrag.
© Jean Vernet

Nach der «Spanisch-Brötli-Bahn» wurden in rascher Folge verschiedene Privatbahnen in Betrieb genommen. Innerhalb weniger Jahrzehnte erhielt die Schweiz ein leistungsfähiges Eisenbahnnetz. Ende der 19. Jahrhunderts war die Bahn das klar dominierende Verkehrsmittel in der Schweiz. Mit der Verstaatlichung der wichtigsten Privatbahnen zur SBB gingen grosse Teile dieses Verkehrsnetzes Anfang des 20. Jahrhunderts in Bundesbesitz über. Doch nachdem die Bahn noch im 1. Weltkrieg ihre grosse Bedeutung auch aus militärischer Sicht bewiesen hatte, geriet sie in den folgenden Jahrzehnten immer mehr unter Druck: Die Verbreitung des Automobils und der Lastwagen setzten ihr stark zu. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die damalige Eisenbahnabteilung des Bundes 1935 in ein Eidgenössisches Amt für Verkehr (EAV, Vorläuferorganisation des BAV) umgewandelt wurde, welches sich auch um das «Wettbewerbsverhältnis zwischen Eisenbahn und Automobil» zu kümmern hatte.

Nach einem kurzen, militärisch begründeten Zwischenhoch im Zweiten Weltkrieg ging der Krebsgang der Eisenbahn in der Schweiz weiter. Durch den Bau des Autobahnnetzes wurde die Bahn weiter in die Defensive gedrängt, verschiedene unrentable Nebenlinien wurden stillgelegt. Die Schlussempfehlungen einer «Gesamtverkehrskonzeption», welche die Bahn zu Lasten der Strasse stärken sollte, hatten noch einen schweren Stand und wurden in der Folge vom Stimmvolk abgelehnt.

Bahnland Schweiz als Vorbild

Für eine Renaissance der Eisenbahn waren neue Ideen gefragt. Diese lieferten ab den 1980er Jahren sowohl die Branche als auch der Bund: Konzepte wie Taktfahrplan und Knotenprinzip mit Ankünften kurz vor und Abfahrten kurz nach der vollen Stunde und damit optimalen Umsteigemöglichkeiten in allen grossen Städten wurde eingeführt. Unter dem Eindruck des «Waldsterbens» wurde das «Halbtax»-Abo stark verbilligt und der Bund beschloss einen substanziellen Ausbau des Bahnnetzes. Mit dem Programm Bahn 2000 wurde unter anderem die Neubaustrecke zwischen Bern und Olten realisiert, welche die Fahrzeit von Basel, Luzern und Zürich nach Bern auf unter eine Stunde senkte. Bald darauf ging mit dem Lötschberg auch der erste Basistunnel der NEAT in Betrieb. Die Eisenbahn als Kern des öffentlichen Verkehrs erlebte in der Schweiz ihren zweiten grossen Aufschwung und wird zu Recht im Ausland immer wieder als Modell dargestellt.

Trotz weiterer Ausbauten hat in den letzten Jahren allerdings der Anteil der Bahn am gesamten Personenverkehr (Modal Split) wieder stagniert. Die Branche ist gefragt, mit innovativen Konzepten darauf zu reagieren und die Kundinnen und Kunden mit pünktlichen, sicheren, zuverlässigen und einfach buchbaren Angeboten zu überzeugen. Im Rahmen des Langfristperspektive «Bahn 2050» wird auch der Bund nächstens Ideen präsentieren, wie die Eisenbahn – nicht zuletzt im Interesse der Klimapolitik und der Versorgungssicherheit – weiter gestärkt werden kann.

 

BAV-News Nr. 99 Mai 2022

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