Die NEAT: ein europäisches Projekt

Mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels Anfang September wird die Neue Eisenbahn-Alpentransversale (NEAT) vollendet. Die NEAT ist eine grossartige, helvetische Meisterleistung, weil sie von Anfang an europäisch gedacht und konzipiert wurde.

Editorial Fü
Dr. Peter Füglistaler
© Béatrice Devènes

1992 hat die Schweizer Bevölkerung dem Bau zugestimmt und 2020 wird sie fertiggestellt: Die Neue Eisenbahnalpentransversale (NEAT). Die NEAT strahlt weit über die Schweizer Grenzen hinaus: Sie wurde nach europäischen Standards gebaut und soll den alpenquerenden Verkehr zwischen Belgien, Holland, Deutschland und Italien auf die Schiene bringen. Das Zugleitsystem entspricht dem European Rail Traffic Management System (ERTMS), die Standardlänge für Güterzüge ist auf 740 Meter festgelegt, die zulässige Eckhöhe für Sattelauflieger liegt bei vier Metern und die Achslast beträgt 22,5 Tonnen – Standards die mittlerweile europaweit anerkannt sind. Auch wenn noch grosser Handlungsbedarf besteht, haben sowohl Deutschland wie Italien den Ausbau der Zulaufstrecken in Angriff genommen. Die EU setzt seit einigen Jahren auf Güterverkehrskorridore, wobei der Rhein-Alpen-Korridor mit der NEAT als Leuchtturmprojekt eine Vorreiterrolle einnimmt.

Mit dem Landverkehrsabkommen von 1999 wurden die Eckwerte der schweizerischen Verkehrspolitik durch die EU akzeptiert. Das Abkommen sichert der Schweiz die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA), das Nachtfahr- und das Kabotageverbot. Es ist ein institutionelles Abkommen zur Verkehrspolitik, das sich seit über 20 Jahren bewährt.

Der standardisierten Infrastruktur muss nun ein standardisierter Betrieb folgen. Die Schweiz hat als erstes Land in Europa auf den 1. Januar 2020 ein Verbot von lärmigen Güterzügen durchgesetzt. Mit der Strategie der «Quieter Routes» will die EU das Verbot ab 2024 auf weitere Strecken ausdehnen.

Die Schweiz hat als Nicht-EU-Land von Anfang an die Schaffung einheitlicher Zulassungs- und Sicherheitsvorschriften im EU-Raum unterstützt und im Bereich von Sicherheitsbescheinigungen und Zulassungen von Fahrzeugen erste Kompetenzen an die europäische Eisenbahnbehörde (ERA) abgetreten. Damit verschwinden nationale Eigenheiten, und die Wettbewerbsfähigkeit der Bahn steigt.

Die NEAT macht die Schweiz etwas europäischer und Europa viel schweizerischer. Darauf können wir stolz sein.

 

Dr. Peter Füglistaler

Direktor Bundesamt für Verkehr

 

BAV-News Nr. 82 September 2020

 
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