Eisenbahnsystem schrittweise, europakompatibel und finanziell nachhaltig weiterentwickeln

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat die schweizerischen Bahnunternehmen beauftragt, das Bahnsystem schrittweise weiterzuentwickeln. Im Vordergrund steht der Ersatz von Systemen, die an ihr Lebensende kommen. Die Weiterentwicklung muss europakompatibel erfolgen, finanziell nachhaltig sein und sich ins bestehende System einfügen. Dies hält das BAV in seiner Beurteilung des Konzepts des Branchenprogramms «Smartrail 4.0» fest.

Weiche vor dem Gotthard-Basistunnel.
Die Weiterentwicklung der Eisenbahnsysteme muss europakompatibel sein.
© SBB

Das BAV fällt im Hinblick auf die Einführung neuer Systemstandards bei der Bahn die relevanten Richtungsentscheide. Hierfür hat das BAV den Konzeptbericht «Smartrail 4.0» geprüft, den die Branche unter Führung der SBB im Januar 2020 eingereicht hat. Dieser basiert auf Eigeninitiative der Bahnunternehmen und sieht eine umfassende Digitalisierung der Systeme und Sicherungsanlagen im Eisenbahn-Normalspurbereich vor. Aus Sicht BAV ist eine gesamtheitliche und branchenübergreifende Betrachtung richtig. Grundsätzlich ist das damit verbundene Programm indes zu stark technisch orientiert, schwer überschaubar und zu wenig mit den internationalen Entwicklungen abgestimmt. Es besteht ein beträchtliches Risiko, dass die Komplexität der vielen miteinander verknüpften Vorhaben nicht beherrschbar ist. Die vorgelegte Planung erscheint deutlich zu optimistisch.

Das BAV hat die Branche deshalb beauftragt, die geplanten Vorhaben schrittweise umzusetzen und sich auf die anwendungsreifen, erfolgsversprechenden Teilprogramme zu konzentrieren. Dazu gehören zum Beispiel das Projekt für einen automatischen Warnprozess (AWAP-Light). Dieses soll es ermöglichen, Bauarbeiter auf den Gleisen über mobile Warnanlagen automatisiert über herannahende Züge zu warnen. Ebenfalls weiterentwickelt werden soll das Traffic Management System (TMS). Das TMS ist ein umfangreiches Softwareprojekt, das die Automatisierung der Fahrpläne und der Disposition vorsieht. Verschiedene Fragen, unter anderem die hohen Risiken dieses Softwareprojekts, sind jedoch vertieft zu analysieren. Verschiedene andere Projekte von Smartrail sieht das BAV wegen der genannten Risiken nicht als zielführend, zum Beispiel die Entwicklung eines neuen Stellwerktyps oder Projekte für die Entwicklung selbstfahrender Züge, die nicht auf der bestehenden Führerstandsignalisierung (ETCS Level 2) basieren.

Eurokompatible Weiterentwicklung

Für das BAV ist unabdingbar, dass die Smartrail-Vorhaben umfassend mit den Entwicklungen in der EU abgestimmt werden. Es muss sichergestellt werden, dass der grenzüberschreitende Verkehr technisch weiter vereinfacht werden kann. Bei verschiedenen Projekten von Smartrail müssen EU-Richtungsentscheide abgewartet werden, damit in der Schweiz keine teuren «Insel-Lösungen» entstehen. Die Schweizer Interessen sind aktiv in den EU-Arbeitsgruppen einzubringen.

Das BAV hält überdies fest, dass die Finanzierung des Programms Smartrail geklärt werden muss. Diese kann nur beschränkt über die Leistungsvereinbarungen zum Betrieb und Substanzerhalt der Bahninfrastruktur erfolgen. Eine derartige Finanzierung ist nur für konkrete Infrastrukturvorhaben möglich, mit denen Eisenbahnanlagen auf dem aktuellen technischen Stand gehalten werden. Forschung und Entwicklung sind nicht über die Leistungsvereinbarung finanzierbar. Die Finanzierungsmöglichkeiten für eine Anpassung des Rollmaterials an neue technische Möglichkeiten haben die Bahnunternehmen zu konkretisieren.

Das BAV kommt weiter zum Schluss, dass das Programm Smartrail bislang zu wenig ins bestehende System integriert ist. Insbesondere fehlt eine institutionalisierte Abstimmung mit anderen SBB-Bereichen und der Industrie.  

In einem nächsten Schritt wird das BAV die Schweizer ERTMS-Strategie überprüfen und bedarfsweise Richtungsentscheide treffen zum weiteren Vorgehen beim Zugbeeinflussungssystem ETCS.

 

BAV-News Nr. 81 Juli 2020

 
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