Erster Teil der OBI-Vorlage in Kraft

Per 1. Juli 2020 ist der grösste Teil der Vorlage zur Organisation der Bahninfrastruktur (OBI) in Kraft getreten. Er schafft mehr Transparenz im schweizerischen Eisenbahnsystem und stellt den diskriminierungsfreien Zugang der Bahnunternehmen zu den Netzen anderer Bahnen sicher. Der Rest der OBI-Vorlage tritt auf Anfang 2021 in Kraft, darunter auch die Passagierrechte.

Güterzug der BLS
Per 1. Juli 2020 ist der grösste Teil der Vorlage zur Organisation der Bahninfrastruktur (OBI) in Kraft getreten.
© BLS Cargo

Der Hauptteil der Änderungen betrifft das Verhältnis zwischen den Eisenbahnverkehrsunternehmen und den Betreibern des Schienennetzes. Mit vier Massnahmen wird mehr Transparenz geschaffen und der diskriminierungsfreie Zugang der Bahnunternehmen zu den Netzen anderer Bahnen sichergestellt. Wo nicht anders vermerkt, sind die Anpassungen per 1. Juli 2020 in Kraft getreten:

  • Trassenvergabestelle: Bisher erfolgte die Vergabe von Fahrrechten zu bestimmten Zeiten («Trassen») durch die Trasse Schweiz, eine Aktiengesellschaft je zu einem Viertel im Besitz der Bahnen SBB, BLS, SOB sowie des Verbandes öffentlicher Verkehr (VöV). Weil diese Lösung nicht unabhängig ist, wurde die Trassenvergabestelle (TVS) neu als öffentlich-rechtliche Anstalt des Bundes ausgestaltet. Ihre operative Tätigkeit wird die neue TVS am 1. Januar 2021 aufnehmen.     
  • Systemaufgaben: Es ist nicht sinnvoll, wenn mehrere Bahnen parallel gleichartige Entwicklungen vorantreiben. Deshalb haben sich sogenannte Systemführerschaften herausgebildet, in deren Rahmen meist die SBB als Branchenleader Lösungen für alle weiteren interessierten Unternehmen entwickelt und mit den anderen abstimmt. Klassische Beispiele sind Bahnstrom oder das Zugbeeinflussungssystem ETCS. Mit OBI wurde eine Gesetzesgrundlage für solche Systemaufgaben geschaffen.
  • Mitwirkungsrechte: Die Ausgestaltung des Schweizer Bahnnetzes ist seit 2014 Sache des Bundes. Kleine, betriebliche Investitionen planen die Infrastrukturbetreiberinnen aber selber. Wenn eine solche auf ihrem Netz zum Beispiel einen Spurwechsel entfernt oder verschiebt oder die Perrons auf das Rollmaterial des eigenen Verkehrsunternehmens ausrichtet, kann dies andere Verkehrsunternehmen oder Gleisanschliesser diskriminieren. Daher müssen die Betroffenen bei der kurzfristigen Investitionsplanung neu angehört werden.
  • RailCom: Die bisherige Schiedskommission für den Eisenbahnverkehr wird in RailCom unbenannt und erhält zusätzliche Kompetenzen. Bei ihrer Gründung im Jahr 1999 sollte sie nur sicherstellen, dass der Netzzugang diskriminierungsfrei erfolgte. Im Zuge der Bahnreform wurden ihre Befugnisse schrittweise ausgebaut, so etwa für den Zugang zu Güterverkehrsterminals. Mit OBI überwacht die RailCom neu auch, ob die Vorgaben bei den Systemaufgaben und der Mitwirkung eingehalten werden.

OBI ist auch wichtig, weil es in einigen anderen für den öV bedeutsamen Punkten Verbesserungen bringt. Dazu gehören unter anderem folgende Änderungen:

  • Passagierrechte: Bei Verspätungen und Kursausfällen ist es in der Schweiz dank des dichten Takts oft möglich, wenig später eine gute Verbindung zu haben oder über Ausweichstrecken rechtzeitig ans Ziel zu kommen. Bei grossen Verspätungen erhalten die Passagiere des öffentlichen Verkehrs künftig aber anstelle der heute freiwillig ausgerichteten Leistungen (z. B. "Sorry-Bons") einen gesetzlichen Anspruch auf bestimmte Leistungen. Damit werden die Passagierrechte gestärkt und an die Regelungen der EU angeglichen. Bei einer Verspätung von über einer Stunde erhalten Reisende mit Einzel- und Streckenbilletten künftig 25 Prozent des Fahrpreises zurück. Beträgt sie über zwei Stunden, werden 50 Prozent entschädigt. Beträge unter 5 Franken werden nicht ausbezahlt. Die Umsetzung erfolgt per 1. Januar 2021.
  • Öffentlichkeitsgesetz: Wenn öV-Unternehmen davon ausgehen müssen, dass sicherheitsrelevante Meldungen umgehend an die Öffentlichkeit gelangen, besteht die Gefahr, dass sie gewisse Meldungen aus Angst vor Nachteilen für den Betroffenen oder das Unternehmen unterlassen. OBI sieht deshalb gewisse Ausnahmen vom Öffentlichkeitsgesetz vor. Das soll eine weiterhin offene Meldekultur zur Vermeidung künftiger Fehler garantieren – analog zur Medizin und zur Luftfahrt.
  • Bahnhöfe mit Umsteigebeziehungen: In Verkehrsknoten mit vielen Partnern (Eisenbahnen, Busse, Trams, Individualverkehr) wird die Finanzierung klarer geregelt. Sie richtet sich primär nach dem Territorialprinzip.
  • Fernbusse: Das Parlament hat im Rahmen der OBI-Beratungen strengere Bestimmungen für die Zulassung von nationalen Fernbussen beschlossen. Die praktische Bedeutung dieser Novelle dürfte gering bleiben.
  • Einbau bahnfremder Anlagen: Als Änderung einer Eisenbahnanlage gilt neu explizit auch der Einbau bahnfremder Bauten und Anlagen in eine Eisenbahnanlage. Entsprechend muss er durch das BAV bewilligt werden. Das BAV hat hierzu ein erläuterndes Schreiben an die Branche verschickt.

 

Organisation der Bahninfrastruktur (OBI)

Erläuterndes Schreiben Art. 18 EGB Neu

Medienmitteilung RailCom

 

BAV-News Nr. 81 Juli 2020

 
 
https://www.bav.admin.ch/content/bav/de/home/publikationen/bav-news/ausgaben-2020/bav-news-juli-2020/artikel-2.html