Der öffentliche Verkehr lebt vom Vertrauen

Gleich zwei Krisen erschütterten 2020 den öffentlichen Verkehr: Das Corona-Virus und mehrere Subventionsfälle. Die öV-Branche kann beide Krisen nur schadlos überstehen, wenn sie das Vertrauen in ihre Leistungen und in den Umgang mit Subventionen wiederherstellt.

Peter Füglistaler 2020 1 (c) BAV Béatrice Devènes
Dr. Peter Füglistaler
© BAV

Das Jahr 2020 wird uns als Krisenjahr in Erinnerung bleiben. Das Corona-Virus hatte grosse Auswirkungen auf die Gesellschaft und die Wirtschaft. Eine lange Phase des Wachstums wurde abrupt unterbrochen. Stark betroffen waren der öffentliche Verkehr und der Schienengüterverkehr. Mit dem Lock-down im Frühling fehlten von einem Tag auf den anderen die Kundinnen und Kunden, und das Angebot musste deutlich eingeschränkt werden. Unter Leitung der Systemführer SBB und PostAuto haben die Transportunternehmen schnell reagiert und den Lock-down mit koordinierten Massnahmen vorbildlich gemeistert. Sie haben verschiedene Schutzmassnahmen ergriffen, damit sich die Kundinnen und Kunden im öV sicher fühlen können, auch wenn weiterhin das Corona-Virus aktiv ist.

Der Bund – unter Federführung des BAV -  und die Kantone ihrerseits haben in kurzer Zeit ein finanzielles Stützungsprogramm für den öV und den Schienengüterverkehr aufgesetzt und politisch zum Entscheid gebracht. Keine andere Branche konnte von einer so weitgehenden Übernahme der finanziellen Risiken durch die öffentliche Hand profitieren. Dies zeigt das hohe Vertrauen, welches der öV in der Bevölkerung und in der Politik geniesst. Nun müssen die langfristigen Folgen von Corona analysiert werden. Die Branche ist gefordert: Der Nachfragerückgang lässt Einnahmen wegbrechen. Der Bedarf für finanzielle Unterstützung durch Bund und Kantone steigt weiter an. Die Kündigungswelle bei den Generalabonnementen zeigt auch, dass die Kundinnen und Kunden in Zeiten des zunehmenden Homeoffice eine bessere Auswahl an Angeboten erwarten.

Gesetze müssen eingehalten werden

Das Jahr 2020 war noch in einer weiteren Hinsicht ein Krisenjahr. In mittlerweile drei gravierenden Fällen haben sich die Verantwortlichen von Transportunternehmen über die gesetzlichen Bestimmungen hinweggesetzt und zu viele Subventionen bezogen. Mit Holdingstrukturen wurde das effektive Ergebnis verschleiert, Erlöse wurden über Jahre «vergessen», Auskunftspflichten nicht wahrgenommen oder Falschbestätigungen gegenüber den Bestellern abgegeben. Dies erschüttert das Vertrauen in die Branche. Da helfen auch keine Schutzbehauptungen wie Gewinnvorgaben der Eigner, fehlende persönliche Bereicherung oder unklare Vorgaben der Besteller, um die Verstösse zu relativieren. Solche Taten sind ohne Umschweife zu verurteilen, denn die rechtliche Lage ist klar: Es ist in der Verantwortung der Verwaltungsräte und Geschäftsleitungen, die Gesetze einzuhalten, korrekte Rechnungsabschlüsse und vollständige Offerten vorzulegen. Das BAV unterstützt sie dabei, indem es die Unternehmen regelmässig über die wichtigsten Regeln und Vorschriften informiert und bei Bedarf für Auskünfte zur Verfügung steht.

Die öV-Branche verfügt in der Öffentlichkeit über eine hohe Glaubwürdigkeit und lebt nicht nur zu Zeiten von Corona von der finanziellen Unterstützung durch die öffentliche Hand. Damit dieses Vertrauen erhalten bleibt, muss die Branche die Vorkommnisse aufarbeiten, sich von unrechtmässigen Praktiken in aller Form distanzieren und die Bestimmungen aller Gesetze uneingeschränkt einhalten. Der Verband öffentlicher Verkehr VöV ist als «Systemführer» der Branche gefordert, alle Transportunternehmen vorbildlich durch diese Krise zu führen.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, frohe und gesunde Festtage und ein schönes, erfolgs- und erlebnisreiches Jahr 2021.

 

Dr. Peter Füglistaler

Direktor BAV

 

BAV-News Nr. 85 Dezember 2020

 
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