Die Rolle des BAV in der Schifffahrt auf den Tessiner Seen

Das Bundesamt für Verkehr (BAV) ist bei der Linienschifffahrt auf den Tessiner Seen Lago Maggiore und Lago di Lugano gemeinsam mit den italienischen Behörden für die rechtlichen Rahmenbedingungen und deren Einhaltung zuständig. Unternehmenspolitische Fragen wie die Entlassung von Personal, die im Sommer 2017 zu einem Streik geführt haben, liegen dagegen in der Kompetenz der Schifffahrtsunternehmen.

bav-news-lago-maggiore-web

Die Schifffahrt im regelmässigen Linienverkehr auf den beiden grenzüberschreitenden Seen Lago Maggiore (Langensee) und Lago di Lugano (Luganersee) wird gemäss einem Staatsvertrag zwischen der Schweiz und Italien von 1992 jeweils von einer einzigen Gesellschaft geführt. Auf dem Luganersee ist es die schweizerische SNL (Società Navigazione del Lago di Lugano), auf dem Langensee die italienische NLM (Navigazione Lago Maggiore). Die Schweiz hat sich im Staatsvertrag verpflichtet, dem italienischen Unternehmen für ihren Teil des Langensees  eine Konzession zu erteilen, Italien erteilt umgekehrt dem Schweizer Unternehmen auf dem Lago di Lugano eine Konzession für den italienischen Teil des Sees.

Diese beiden Konzessionen wurden, wie gemäss Staatsvertrag vorgesehen, in gegenseitiger Absprache zwischen Italien und der Schweiz Ende 2016 für zehn Jahre erneuert. Die Schweizer Konzessionen von NLM und SNL richten sich nach dem Personenbeförderungsgesetz (PBG). Die in der alten Konzession der NLM enthaltene Klausel zur Beschäftigung einer Mindestanzahl von Schweizer Staatsangehörigen konnte aufgrund des Personenfreizügigkeitsabkommens nicht aufrechterhalten werden. Das eingesetzte Personal muss jedoch zu branchenüblichen Arbeitsbedingungen angestellt werden.

Die konzessionierte Gesellschaft NLM hat in den letzten Jahren mit der Schifffahrt auf dem Schweizer Becken des Langensees beträchtliche Verluste gemacht. Deshalb hat sie bereits 2016 angekündigt, den Betrieb auf dem Schweizer Becken zu reduzieren. Vor dem Hintergrund der im Mai 2016 unterzeichneten Absichtserklärung ("Memorandum d'Intesa") zur Verbesserung der touristischen Schifffahrt auf den Tessiner Seen hat sich die NLM verpflichtet, die im Fahrplan publizierten Verbindungen bis Ende 2017 weiterhin anzubieten und bis zu diesem Zeitpunkt kein Personal zu entlassen.

Deshalb wurde in der Arbeitsgruppe zur Umsetzung der Absichtserklärung durch die SNL und die NLM ein Lösungsansatz erarbeitet, der es erlaubt, die Lücke, die durch die Reduktion des Betriebs der NLM entsteht, zu schliessen und die touristische Schifffahrt auf beiden Seen weiter auf die Bedürfnisse der Region auszurichten. Diese Lösung kann innerhalb des geltenden gesetzlichen Rahmens und damit kurzfristig umgesetzt werden. Sie sieht vor, dass ein Konsortium der NLM zusammen mit der SNL gegründet wird. NLM und SNL haben dazu eine Absichtserklärung unterschrieben und arbeiten mit Hochdruck an der Entwicklung dieses Konsortiums. Aktuell wird ein Businessplan erarbeitet, aufgrund dessen die neue Gesellschaft gegründet werden soll. Aus Sicht des BAV ist dieses Konsortium eine zweckmässige Lösung, um die Schifffahrt auf den beiden Seen weiterzuentwickeln. Es bietet auch dem Personal der NLM eine Perspektive zur Weiterbeschäftigung.

Rolle des BAV als Konzessionsbehörde

Als Konzessionsbehörde hat das BAV darüber zu wachen, dass die Verpflichtungen aus den Konzessionen jederzeit eingehalten werden. Zu diesen Verpflichtungen gehört, dass die Konzessionärin den publizierten Fahrplan einhalten und – falls dies aus Gründen höherer Gewalt wie z.B. eines Streiks nicht mehr möglich ist – ein Ersatzangebot fahren muss (Fahrplanpflicht und Betriebspflicht). Das BAV hat denn auch die NLM beim Streik, der Ende Juni begann, an diese Pflicht erinnert. Die NLM hat daraufhin einen Ersatzverkehr mit ihren Schiffen und italienischer Besatzung organisiert.

Bei der Gründung des Konsortiums hat jedoch die Konzessionsbehörde keine aktive Rolle: Für ein Konsortium braucht es keine Änderung der Konzession. Inhaberin der Konzession wird, wie im Staatsvertrag festgelegt, weiterhin die NLM sein. Über weitergehende Kompetenzen verfügt das BAV nicht. Es hat insbesondere nicht in den aktuellen Arbeitskonflikt zwischen der Belegschaft und dem Unternehmen einzugreifen. Hier sind nebst den Direktbeteiligten in erster Linie die Behörden des Kantons Tessin gefordert.

 

BAV-News Nr. 52 Juli 2017

https://www.bav.admin.ch/content/bav/de/home/publikationen/bav-news/ausgaben-2017/ausgabe-juli-2017/artikel-1.html