Erste Schritte zu einem kundenfreundlicheren Tarifsystem

Einfache, kundenfreundliche und transparente Tarife sind eine Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen öV. Die Erprobung neuer Abo-Angebote, welche die Branche im Nachgang zur neuen Homeoffice-Welt nach Corona gestartet hat, ist sehr zu begrüssen. Nächster Schritt ist eine Harmonisierung zwischen direktem, überregionalem Verkehr und den regionalen Verbünden mit einer landesweit einheitlichen Preisbildungslogik.

Porträt BAV-Direktor Peter Füglistaler
Das BAV erwartet von der öV-Branche eine einheitliche Preisbildungslogik für den nationalen und den regionalen Verkehr.
© BAV

Mit dem Wort ‘Tarife’ kann man jederzeit eine angeregte Diskussion auslösen. Allerdings verliert sich die Diskussion in kürzester Zeit: Sind die Tarife nun wirklich so kompliziert? Was ist denn überhaupt ein Tarif? Kann das Problem nicht mit einer gescheiten App gelöst werden? Ist das GA nun zu teuer oder nicht? Braucht es den Verkauf beim Chauffeur noch? In unserer Region ist es anders! Und überhaupt: Wieso mischt sich der Bund ein?

Wir müssen uns damit schrittweise an das Thema herantasten. Tarife sind die «Allgemeinen Geschäftsbedingungen zur Nutzung des öffentlichen Verkehrs». Sie beinhalten unter anderem Regelungen zur Preisbildungslogik, zu den Sortimenten sowie zum Preisniveau.

Eine erste Herausforderung ist, dass wir keine einheitliche Preisbildungslogik kennen. Bei den einen beruht der Tarif auf der zurückgelegten Distanz, welcher im sogenannten Direkten Verkehr Anwendung findet (z.B. im Fernverkehr). Bei den anderen gibt es Zonensysteme, welche aus den Verbünden bekannt sind. Mit diesen wird innerhalb eines geographischen Raums ein einheitlicher Preis verlangt. Die Kombination von Zonensystemen mit dem nationalen direkten Verkehr kann dazu führen, dass bei gleicher Reise unterschiedliche Preise resultieren. Kundinnen und Kunden finden das zurecht verwirrend - vor allem, wenn sie merken, dass sie zu viel bezahlt haben. Genauso verwirrend ist die Zuscheidung der Einnahmen auf die Transportunternehmen, da die zwei Preisbildungslogiken (zusammen mit einer grossen Sortimentsvielfalt und unterschiedlichem Preisniveau) zu komplexen Schlüsselungen führen, die kaum jemand durchschaut.

Wichtiger erster Schritt

Die Branche hat ein Projekt gestartet mit dem Namen GITA (Grobkonzept Integriertes Tarifsystem). Die unmittelbare Aufgabe dieses Projekts ist es, eine einheitliche Preisbildungslogik für ein Einzelbillett des Normaltarifs zu finden. Das ist ein wichtiger erster Schritt und es ist die Voraussetzung für ein insgesamt einfacheres und kundenfreundliches Tarifsystem. In weiteren Schritten werden Fragen zum Sortiment, d.h. die verschiedenen Arten von Fahrscheinen, und die Kompetenz für die Festlegung der Tarifhöhe bearbeitet. Das Ziel ist, dass sich öV-Gelegenheitsnutzer nicht mehr bei der Wahl des richtigen Zonenbilletts, oder beim Anwendungsbereich von Sparbilletten vertun. Auch können bei einem einfachen Tarifsystem dauerhafte und für alle verfügbare flexiblere Tarifangebote einfacher entwickelt werden.

Mit der Bildung einer Bestellergruppe im Rahmen dieses Projektes konnten die Kantone und der Bund in die Projektarbeiten einbezogen werden. Dies rechtfertigt sich, da die Besteller den öV finanziell unterstützen und demzufolge die finanziellen Folgen eines neuen Tarifsystems und von möglichen Einnahmenverschiebungen mitzutragen haben.

Es ist wichtig, dass dieser erste Schritt gelingt – eine für die Kunden nachvollziehbare, einheitliche Bemessung des Fahrpreises von A nach B - und dann weitere Schritte folgen für ein einfaches und transparentes Tarifsystem. Wir alle sind es den Kundinnen und Kunden schuldig.

Dr. Peter Füglistaler, Direktor des Bundesamts für Verkehr

 

BAV-News Nr. 93 Oktober 2021

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