NEAT-Zulaufstrecken: Blick auf die Nachbarländer

Ende 2020 wird mit dem Ceneri-Basistunnel das letzte Element der Neuen Eisenbahn-Alpentransversalen (NEAT) in Betrieb genommen. Zu Beginn dieses Jahres treffen sich die Verantwortlichen des BAV mit den zuständigen Vertretern des deutschen und italienischen Verkehrsministeriums, um den aktuellen Stand und das weitere Vorgehen bei den Zulaufstrecken zu erörtern. Die Schweiz setzt sich auf internationaler Ebene zudem für eine weitere Vereinfachung des grenzüberschreitenden Bahnverkehrs ein.

Bauarbeiten an der Rheintalbahn auf der Strecke zwischen Karlsruhe und Basel.
Zulaufstrecken zur NEAT: Italien ist bereit, Deutschland ist dran (hier auf der Strecke Karlsruhe–Basel. (Foto: DB AG)
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Ende Jahr nimmt die Schweiz mit der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels die Gesamt-NEAT sowie den zusätzlich beschlossenen 4-Meter-Korridor auf der Gotthard-Achse in Betrieb. Nach einer Einführungsphase werden diese Bauten ab Ende 2022 die volle Leistung erbringen können und die Kapazitäten und Produktionsbedingungen im alpenquerenden Güterverkehr durch die Schweiz verbessern.

Damit sind auch die Nachbarländer gefordert: Deutschland und Italien haben sich gemeinsam mit der Schweiz in den 90er-Jahren verpflichtet, das Bahnnetz und insbesondere die Zulaufstrecken zur NEAT schrittweise und in Anlehnung an die Nachfrage auszubauen.

In Deutschland ist das zentrale Element der Ausbau der Strecke Basel-Karlsruhe (Rheintallinie) auf vier Spuren. Aus verschiedenen Gründen kommt es dabei gegenüber der ursprünglichen Planung bekanntlich zu Verzögerungen. Gemäss aktuellen Prognosen werden die letzten Elemente des Ausbaus um das Jahr 2040/41 fertiggestellt sein.

Kurzfristig wirksame Massnahmen in Deutschland

Deutschland hat reagiert: Mit betrieblichen Massnahmen und kleineren Ausbauten auf der bestehenden Rheintalstrecke sollen auf kurze Frist mehr Fahrmöglichkeiten für Güterzüge geschaffen werden. Der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer und Bundesrätin Simonetta Sommaruga haben im Mai 2019 in Leipzig eine entsprechende Vereinbarung unterzeichnet. Dank dieser Massnahmen erhalten total rund 50 zusätzliche Güterzüge pro Tag in beide Richtungen Platz auf der NEAT-Zufahrt. Die Nachfrage kann damit bis auf weiteres abgedeckt werden.

Im Rahmen des Lenkungsausschusses Schweiz-Deutschland informierte die deutsche Delegation Anfang Februar in Bern über die Umsetzung der in Leipzig beschlossenen Massnahmen. Sie zeigte auf, dass die Umsetzung der Übergangsmassnahmen auf Kurs ist. Voraussichtlich 2023 werden die in Leipzig beschlossenen Massnahmen umgesetzt sein  

Deutschland sprach überdies in den vergangenen Monaten deutlich mehr Geld für die Schieneninfrastruktur: Dank des Masterplans Schienengüterverkehr und des Klima-Pakets stehen der Bahn mehrere Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung.

Alternativen zum Nordzulauf via Rheintal

Aufgrund der Unterbrechung der Rheintalstrecke bei Rastatt 2017 hat sich gezeigt, dass es gute Ausweich-Routen braucht. Die Schweiz und Deutschland beabsichtigen, die Strecke Stuttgart-Zürich für grossprofilige Transporte auszubauen, um sie im Störungsfall auf der Rheintalstrecke als Umleitung nutzen zu können. Zudem steht mit dem Korridor Nordsee-Mittelmeer eine weitere potenziell leistungsfähige Zulaufstrecke von den Nordseehäfen über Frankreich und Basel zur NEAT zur Verfügung. Hier ist die Schweiz mit den Anrainerländern Belgien, Frankreich, Luxemburg und den Niederlanden im Austausch, um mit einem Ausbau der Linie Metz-Basel auf vier Meter Eckhöhe auf beiden Seiten des Rheins leistungsfähige Zulaufstrecken zu haben.

Italien ist bereit für die Voll-Inbetriebnahme der NEAT

Genügend Kapazitäten für den NEAT-Zulauf bestehen auch auf den drei betroffenen Strecken in Italien (Novara – Domodossola – Simplon, Gallarate - Luino – Bellinzona; Mailand – Chiasso - Bellinzona). Der Ausbau der Strecken via Luino und via Chiasso für grossprofilige Transporte mit vier Metern Eckhöhe kann voraussichtlich termin- und budgetgerecht abgeschlossen werden. Ab Ende 2020 können damit Transporte dieses stark wachsenden Marktsegments auf der ganzen Gotthard-Achse bis zu den Terminals in Norditalien verkehren.

Es verbleibt das Ziel, auch auf der südlichen Fortsetzung der Lötschberg-Simplon-Achse einen durchgehenden Korridor für Transporte mit vier Metern Eckhöhe zu schaffen. Das Parlament hat 2013 für den Ausbau dieser Achse auf italienischem Boden die nötigen Mittel gesprochen. Die Verhandlungen für ein entsprechendes Abkommen zwischen Bern und Rom sind auf gutem Weg.

Grenzüberschreitenden Verkehr weiter vereinfachen

Um die Verlagerung weiter voran zu bringen, setzt sich die Schweiz in verschiedenen internationalen Gremien für eine weitere Vereinfachung des grenzüberschreitenden Eisenbahnverkehrs ein: so zum Beispiel für die Einführung zusätzlicher Betriebssprachen auf wichtigen Bahnstrecken, für harmonisierte Betriebsvorschriften und technische Standards, für einheitliche Zuglängen und Zugsicherungssysteme, aber auch für den Einbezug der Schweiz in eine EU-weit einheitliche Rollmaterial-Zulassung. Ebenso wird weiter an der Umsetzung organisatorischer Massnahmen im Nachgang zum Streckenunterbruch von Rastatt im Jahr 2017 gearbeitet, zum Beispiel an der Festlegung von Umleitungsplänen bei internationalen Störungen und der koordinierten Planung von Bauarbeiten auf den Hauptstrecken.

Internationale Treffen nutzt die Schweiz jeweils auch, um ihre ersten Erfahrungen mit einem neuen Instrument zur Kapazitätssicherung für den Schienengüterverkehr vorzustellen. In der Schweiz dienen ein Netznutzungskonzept (NNK) und entsprechende Netznutzungspläne (NNP) dazu, die Trassen für den Güter- und Personenverkehr auf dem schweizerischen Schienennetz gleichberechtigt zu sichern. Dies macht es möglich, für beide Verkehrsarten Trassen von guter Qualität zur Verfügung zu stellen und längerfristige Planungssicherheit zu schaffen.

 

BAV-News Nr. 76 Februar 2020

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