Die Digitalisierung als Chance für den öffentlichen Verkehr

Die Digitalisierung und die technologische Entwicklung der Mobilität eröffnen den Nutzerinnen und Nutzern wie auch den Transportunternehmen neue Chancen. Das Bundesamt für Verkehr (BAV) engagiert sich dafür, dass diese genutzt werden und alle davon profitieren. Damit die Unternehmen des öffentlichen Verkehrs (öV) auch in Zukunft eine zentrale Rolle in der Leistungskette spielen können, müssen wichtige Hürden genommen werden, allen voran die Vereinheitlichung der Tarifsysteme. Zudem muss die Öffnung der Vertriebssysteme und von Datenplattformen des öV für Dritte geprüft werden.

Mobility as a service

Die technologische Entwicklung und insbesondere die Digitalisierung eröffnen im Verkehr neue Möglichkeiten: Wenn ihm die nötigen aktuellen Informationen zur Verfügung gestellt bzw. entsprechende Angebote unterbreitet werden, kann der Kunde in Zukunft bequem eine Verkehrsdienstleistung von Tür zu Tür kaufen. Er muss dabei weder ein Auto besitzen, noch sich um ein Billett oder um die Frage kümmern, wie die für die Reise nötigen Verkehrsträger – zum Beispiel ein Taxi, eine Tramfahrt, ein Mietauto und eine Zugfahrt – kombiniert und organisiert werden. Für die Kunden wird Reisen damit noch bequemer. Auf der anderen Seite können sich die Transportunternehmen dank Entwicklungen wie Digitalisierung, Vernetzung, Sharing Economy und führerlosen Fahrzeugen weiterentwickeln und ihre Leistungsfähigkeit stärken.

Das BAV will diese Chancen nutzen. Der öffentliche Verkehr soll das Rückgrat dieser weiter entwickelten und vereinfachten Mobilität bleiben. Damit dies erreicht werden kann, sind im öV verschiedene Schritte nötig:

Einheitliche Tariflandschaft mit offenen Vertriebssystemen

Es muss eine elektronische Plattform geschaffen werden, über welche sämtliche öV-Angebote verkauft werden. Die derzeit laufende Ablösung der bisherigen zentralen Billettverkaufsplattform der öv-Branche (Prisma) durch ein neues System (NOVA) ist eine Gelegenheit, die es zu packen gilt. Nur wenn alle öV-Unternehmen, Tarifverbünde und Vertriebskanäle zusammengeschlossen werden, sind einfache, kundenfreundliche Angebote möglich. Das BAV will prüfen, ob diese Plattform für Drittanbieter ausserhalb der öV-Branche geöffnet werden kann. Damit könnten der Vertrieb von öV-Angeboten modernisiert und vereinfacht sowie weitere Alternativen zum Verkauf von Billetts an Schaltern angeboten werden. Als Entscheidungshilfe wird eine Studie über die Risiken und Chancen der Digitalisierung und der Mobilität von morgen dienen, die demnächst lanciert wird.

Offener Zugang zu Echtzeit-Daten

Damit die Chancen der Digitalisierung genutzt und neue, innovative Mobilitätsangebote entstehen können, muss der Zugang zu verschiedenen Daten verbessert werden («open data»). Die Strategie «Digitale Schweiz», die der Bundesrat im April 2016 beschlossen hat, zielt in diese Richtung. Das BAV strebt für den öffentlichen Verkehr an, dass die Unternehmen die Echtzeit-Daten über die Verkehrslage auf ihren jeweiligen Netzen zusammenführen und öffentlich verfügbar machen. Dazu hat das BAV bei der SBB eine Datenbank mit Echtzeit-Daten aller Transportunternehmen in Auftrag gegeben, welche noch dieses Jahr operativ werden soll. Damit diese Daten für die Kunden ihre volle Wirkung entfalten können, ist es wichtig, dass alle Unternehmen mitmachen. Auf Basis dieser Daten könnten Transportunternehmen und Dritte von ausserhalb der öV-Branche neue benutzerfreundliche Mobilitätsapps und -angebote entwickeln. Heute stehen zur Entwicklung von Apps etc. erst die Fahrplandaten flächendeckend zur Verfügung.

Nutzung von neuen Technologien zur Effizienzsteigerung

Die Transportunternehmen müssen die Herausforderungen des führerlosen Fahrens annehmen. Mit der Metro M2 in Lausanne gibt es in der Schweiz bereits seit Jahren ein öV-Angebot ohne Fahrer. Von den Transportunternehmen, welche weitere Efforts in diesem Gebiet angekündigt haben, erwartet das BAV vertiefte Angaben zur Praxistauglichkeit und konkrete Umsetzungspläne. Das BAV ist gefordert, im Rahmen der Zulassungsprozesse den sicheren und zuverlässigen Betrieb zu ermöglichen. Weiter will das BAV im Rahmen des Bahn-Ausbauschritts 2030/35 für eine einzelne, isolierte Strecke mit einer Studie alternative Verkehrskonzepte wie z. B. selbstfahrende Züge prüfen.

Auseinandersetzung mit neuen Geschäftsmodellen

Die Digitalisierung ermöglicht auch neue Geschäftsmodelle: Dank Apps und Internet ist es beispielsweise möglich, nicht ausgelastete Privatfahrzeuge in Pools zusammenzuschliessen und einem breiteren Nutzerkreis für Transportleistungen zur Verfügung zu stellen ("Sharing Economy"). Dadurch entsteht eine neue Art von öffentlichem Verkehr. Die Vorteile und Chancen solcher Konzepte gilt es zu nutzen. Sollte sich die Technologie der selbstfahrenden Fahrzeuge so weiter entwickeln, dass diese als neuer Standard flächendeckend zum Einsatz kommen, ermöglicht dies in Kombination mit der "Sharing Economy" grosse Potenziale für neue öV-Modelle.

Es ist wichtig, dass sich Behörden und Transportunternehmen gemeinsam mit der Wirtschaft und Wissenschaft aktiv mit den neuen technischen Möglichkeiten und der Digitalisierung auseinandersetzen und neue Wege gehen. Nur so kann sichergestellt werden, dass der öV seine Wettbewerbsfähigkeit erhält und auch in Zukunft eine zentrale Rolle im Verkehr spielen wird. Das Ziel des BAV ist es, dass neue Angebote entstehen können, welche für die Nutzerinnen und Nutzer mehr Komfort und Qualität bringen. Hierbei soll es keine Rolle spielen, ob die Innovationen von der öV-Branche oder von Dritten stammen. Das BAV steht im Dialog mit Unternehmen, die neue Lösungen suchen, und steht Ideen und Pilotprojekten in allen Bereichen aufgeschlossen gegenüber. Bei Bedarf wird es die Anpassung von Gesetzen und Verordnungen an die Hand nehmen, um die Weiterentwicklung des Mobilitäts-Systems weiter zu fördern.


BAV-News Nr. 45 November 2016

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