175 Jahre Eisenbahn – von privat und kantonal zu staatlich und international

Vor 175 Jahren fuhr mit der «Spanisch-Brötli-Bahn» die erste Eisenbahn in der Schweiz. Das Bundesamt für Verkehr beleuchtet im Jubiläumsjahr in den «BAV-News» verschiedene Aspekte der schweizerischen Bahngeschichte. In dieser Ausgabe geht es um die staatliche Unterstützung sowie die nationale und internationale Harmonisierung der Bahn.

Postkarte schwarz-weiss mit einer Replika der Spanisch-Brötli-Bahn, der ersten Eisenbahn in der Schweiz, zum hundertjährigen Bahnjubiläum im Jahr 1947.
Beim hundertjährigen Bahnjubiläum 1947 war auch die "Spanisch-Brötli-Bahn", die erste Eisenbahn in der Schweiz, dabei.
© ETH-Bibliothek Zürich, Bildarchiv

Am 7. August 1847 eröffnete die Schweizerische Nordbahn die erste Bahnstrecke in der Schweiz. Sie verband Zürich und Baden und wurde als «Spanisch-Brötli-Bahn» bekannt. Damit kann die Eisenbahn in der Schweiz im laufenden Jahr ihr 175-Jahre-Jubiläum feiern. Die Bahnen bzw. die Branche werden dazu verschiedene Anlässe durchführen (vgl. Link unten).

Die ersten Bahnen in der Schweiz entstanden auf private Initiative und konnten mit einer Konzession der betroffenen Kantone den Betrieb aufnehmen. Vorgaben des Bundes gab es nur zu den wesentlichsten technischen Fragen. Dass dies nicht ausreichte, um ein sinnvolles nationales Netz zu schaffen und um die in erbittertem Konkurrenzkampf stehenden Privatbahnen zu beaufsichtigen, zeigte sich rasch.

Deshalb übertrug das Parlament mit dem zweiten Eisenbahngesetz von 1872 das Recht der Konzessionserteilung dem Bund, ebenso die Kontrolle über Bau, Betrieb, Tarif- und Rechnungswesen. Es wurden «Bestimmungen über Einheit des Baues und Betriebes des schweizerischen Bahnnetzes» eingeführt, die unter anderem die Vereinheitlichung des Rollmaterials betrafen. In diesem Rahmen wurde 1873 auch die Eisenbahnabteilung des Bundes gegründet, die Vorläuferin des heutigen BAV. Dieses kann damit nächstes Jahr sein 150jähriges Bestehen feiern.

Staat gewährleistet den Service Public

Erbitterte verkehrspolitische Diskussionen wurden im 19. Jahrhundert rund um die Frage von Privatbahnen versus Staatsbahn geführt. Nach dem Konkurs von privaten Bahngesellschaften, zahlreichen Unmutsäusserungen unzufriedener Passagiere (z.B. in Petitionen an den Bundesrat), Streiks der Angestellten sowie aufgrund des Einflusses von ausländischen Kapitalgebern vor allem aus Frankreich gewannen die Verfechter einer Verstaatlichung der Bahnen an Boden. Mit Josef Zemp wurde 1891 zudem ein entschiedener Vorkämpfer der Bundesbahn in den Bundesrat gewählt.

Die Befürworter der Staatsbahn, die unter dem Motto «Die Schweizerbahnen dem Schweizervolk» angetreten waren, setzten sich 1898 in einer Volksabstimmung mit 68% Ja-Stimmen durch. Der Bund übernahm in der Folge schrittweise die Privatbahnen. Auf den 1. Januar 1902 wurde die SBB als schweizerische Staatsbahn gegründet.

Von der nationalen zur europäischen Standardisierung

Ähnlich wie seinerzeit bei der Entstehung der Privatbahnen sind seit dem 1. Weltkrieg unterschiedliche nationale Systeme unter der Federführung der jeweiligen Staatsbahn und der nationalen Industrie entstanden. Mit der Richtlinie 91/440/EWG des europäischen Rates vom 29. Juli 1991 hat sich die Europäische Union zum Ziel gesetzt, die Vorgaben für die Eisenbahn auf europäischer Ebene zu vereinheitlichen (ohne dabei auf Wettbewerb zu verzichten). Nach 30 Jahren Harmonisierungs-Anstrengung auf europäischer Ebene zeigen sich erste Erfolge, wobei die Schweiz in vielen Belangen eine Vorreiterin war. Aufgabe des BAV ist, die technische Umsetzung der Interoperabilität in der Schweiz sicherzustellen und zu finanzieren.

Fazit

Die Entwicklung zeigt, dass die Bahn nur dann die ihr zugedachte Funktion übernehmen kann, wenn sie möglich einheitlich ausgestaltet werden kann. Zudem ist sie auf den Staat als Geldgeber angewiesen, da ein qualitativ guter Service Public nicht rentabel betrieben werden kann. Dies gilt heute weiterhin: Der Bund sorgt mit Finanzhilfen von rund vier bis fünf Milliarden pro Jahr dafür, dass die Bahn ihren Grundversorgungsauftrag wahrnehmen kann. Und nach der nationalen Harmonisierung steht heute die Vereinheitlichung der Vorschriften, Standards und technischen Systeme auf europäischer Ebene im Fokus. Das BAV setzt sich dafür ein, dass die Bahnsysteme in Europa möglichst angeglichen werden, damit die Bahn ihre Stärken auch bei grenzüberschreitenden Reisen noch stärker ausspielen kann.

Dossier des Verbands öffentlicher Verkehr: 175 Jahre Eisenbahn in der Schweiz – der öffentliche Verkehr feiert 2022 im ganzen Land

 

BAV-News Nr. 96 Februar 2022

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