Unfälle von Fahrgästen im Nah- und Eisenbahnverkehr: BAV und Branche wollen Prävention stärken

18.04.2023 Der öffentliche Verkehr ist grundsätzlich sehr sicher. Im städtischen Nahverkehr mit Tram und Bus sowie im Eisenbahnverkehr nimmt die Zahl der verunfallten Reisenden allerdings zu. Diese Entwicklung betrifft insbesondere ältere Fahrgäste und Frauen. Das BAV hat die Situation analysiert und in Zusammenarbeit mit der Branche und weiteren Organisationen verschiedene Präventionsmassnahmen ausgearbeitet.

Sitzende und stehende Fahrgäste in einem städtischen Bus
Der öffentliche Verkehr ist sehr sicher. Jedoch können Stürze vorkommen, vor allem in Stadtbussen angesichts der hohen Verkehrsdichte in den Städten.
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Die Transportunternehmen müssen das Bundesamt für Verkehr (BAV) informieren, wenn sich Fahrgäste eines öffentlichen Verkehrsmittels verletzen oder tödlich verunglücken. Solche Meldungen haben im städtischen Nahverkehr mit Tram und Bus – und deutlich weniger ausgeprägt im Eisenbahnverkehr – in den letzten Jahren signifikant zugenommen. Ausserdem ereignete sich im Jahr 2019 ein tödlicher Unfall und im Jahr 2020 ein Beinaheunfall, bei denen jeweils eine Person in der Zugtür eingeklemmt wurde. Infolgedessen hat die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (SUST) empfohlen, eine Sensibilisierung der öV-Nutzenden zu prüfen.

Das BAV hat die Problematik im Rahmen eines Projekts für den Nah- und den Eisenbahnverkehr vertieft analysiert und Massnahmen erarbeitet. Der Verband öffentlicher Verkehr, die Beratungsstelle für Unfallverhütung, die Transportunternehmen sowie verschiedene weitere Organisationen tragen das Projekt mit.

Frauen und ältere Menschen verunfallen häufiger

Wie die Analysen zeigen, ereignen sich im städtischen Nahverkehr vor allem viele Sturzunfälle. Diese sind oftmals darauf zurückzuführen, dass Trams oder Busse im dichtgedrängten städtischen Raum wegen Fussgängern, Velo- oder Autofahrerinnen abrupt bremsen müssen oder es sogar zu Zusammenstössen kommt. Dazu kommt, dass sich die Fahrgäste im öV der Gefahren oft nicht genügend bewusst sind und sich nicht oder nicht genügend festhalten. Ein kleinerer Anteil der Unfälle ist auf falsches Verhalten beim Ein- und Aussteigen und auf Probleme mit automatisch schliessenden Türen zurückzuführen.

Frauen und ältere Menschen sind überproportional häufig in solche Unfälle verwickelt. Hierfür wurden im Rahmen des Projekts verschiedene mögliche Ursachen ermittelt: So benutzen Frauen den öV eher für Betreuungs- und Haushaltsarbeiten. Sie sind deshalb häufiger mit Gepäck unterwegs und können sich oftmals weniger gut festhalten. Eine andere, noch wenig erforschte Ursache könnten biomechanische und anatomische Unterschiede sein, die für Frauen zu einem erhöhten Sturzrisiko im öffentlichen Verkehr führen. Ältere Menschen haben oftmals weniger Kraft und können ein abruptes Bremsmanöver weniger gut auffangen als jüngere.

Vier Massnahmenpakete geplant

Um Massnahmen zu ermitteln, mit welchen dem Trend zu mehr Unfällen von Fahrgästen möglichst gut entgegengewirkt werden kann, hat das BAV in enger Zusammenarbeit mit den Unternehmen und den Verbänden Umfragen, Workshops, und Feldstudien durchgeführt, mit Chauffeuren und Expertinnen gesprochen, sowie zahlreiche Daten und die Situation in anderen Ländern analysiert. Basierend darauf hat das BAV vier Massnahmenpakete entwickelt:

  • Erkenntnisse aus dem Projekt kommunizieren: Das BAV wird die öV-Unternehmen, die Hersteller von Trams und Bussen, Strassenverkehrsämter und weitere Stakeholder im öV über die Erkenntnisse informieren. Mit der Entwicklung bzw. Ergänzung von Merkblättern, Leitfäden und Empfehlungen sollen die Erkenntnisse in möglichst viele Bereiche einfliessen, z. B. bei der Konstruktion der Fahrzeuge, in die Planung des Strassenverkehrs oder in die Ausbildung der Chauffeure.
  • Forschung und Austausch zum Thema Stürze verstärken: Das BAV will mit einer Arbeitsgruppe von Fachleuten das Thema Sturzprävention und Sturzmechanik bei älteren Menschen und Frauen vertiefen und weitere Möglichkeiten zur Risikoeindämmung finden.
  • Datengrundlage verbessern: Das BAV will das Verständnis für die Ursachen von Fahrgastereignissen weiter vertiefen. Unter anderem werden während einem Jahr in ausgewählten städtischen öV-Unternehmen Unfälle von Fahrgästen detailliert erfasst und analysiert.
  • Kampagne zur Sensibilisierung der Fahrgäste prüfen: Der Verband öffentlicher Verkehr prüft als Branchenorganisation, ob und wie eine schweizweit einheitliche Kampagne zur Sensibilisierung der Fahrgäste im Nahverkehr umgesetzt werden könnte.
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