06.10.2022 - Die Schweiz feiert dieses Jahr 175 Jahre Eisenbahn. Die Geschichte begann mit Privatbahnen. Bald aber wurde klar: Bevölkerung und Politik wollen eine Bundesbahn. Über die SBB können verkehrspolitische Anliegen besser durchgesetzt werden.
Die ersten Bahnen in der Schweiz entstanden auf private Initiative. Doch von Beginn weg war es ein grosses politisches Thema, ob der Bund die Bahn nicht besser selber betreiben würde. Der Bundesrat und die zuständige Nationalratskommission wünschten sich eine Staatsbahn. Die Mehrheit des Parlaments lehnte dies 1852 jedoch klar ab. Zu gross war die Skepsis gegenüber einer Zentralisierung der Bahn nach der eben erst erfolgten Gründung des Bundesstaates und gegenüber einer staatlichen Verschuldung für andere Zwecke als die Armee.
Nach dem Konkurs von privaten Bahngesellschaften, zahlreichen Unmutsäusserungen unzufriedener Passagiere, Streiks der Angestellten sowie aufgrund der Einflussnahme von ausländischen Kapitalgebern gewannen die Verfechter einer Verstaatlichung der Bahnen in den folgenden Jahrzehnten an Boden. Mit Josef Zemp wurde 1891 ein entschiedener Vorkämpfer der Bundesbahn in den Bundesrat gewählt. Die Zeit war reif für einen neuen Anlauf für eine Staatsbahn.
«Volkswirtschaftliche Interessen fördern»
In seiner Botschaft vom 25. März 1897 begründete der Bundesrat seine Pläne zur Verstaatlichung der fünf wichtigsten Privatbahnen – bzw. zum «Rückkauf der schweizerischen Hauptbahnen» - primär mit der Möglichkeit, mit einer Staatsbahn «die volkswirtschaftlichen Interessen des ganzen Landes ohne alle Nebenrücksichten zu fördern». Er versprach sich von einer Staatsbahn, dass diese den Bahnbetrieb und die Tarife vereinheitlichen würde. Eine Bundesbahn sei weniger auf betriebswirtschaftliche Rendite aus und könne die nötigen langfristigen Investitionen in das Bahnnetz eher tätigen als Privatbahnen. Ein weiteres Argument war, dass mit der Verstaatlichung das Bahnwesen unabhängig werde von ausländischem Kapital und damit unerwünschter Einflussnahme. Und schliesslich sah der Bundesrat mit einer Verstaatlichung auch Vorteile für den eng mit der Bahn verflochtenen, bereits früher verstaatlichten Postdienst.
Die Befürworter der Bundesbahn, die unter dem Motto «Die Schweizerbahnen dem Schweizervolk» antraten, setzten sich 1898 in einer Volksabstimmung mit 68% Ja-Stimmen durch. Der Bund übernahm in der Folge schrittweise die fünf grössten Privatbahnen. Auf den 1. Januar 1902 wurde die SBB als schweizerische Bundesbahn gegründet. Sie erlaubt es dem Bund, seine verkehrspolitischen Ziele mit einem eigenen Unternehmen umzusetzen: Die Anliegen der Wirtschaft und des Tourismus konnten nun besser erfüllt, die Anbindung ans Ausland aus nationaler Optik sichergestellt und die militärischen Bedürfnisse vollumfänglich befriedigt werden.
«Sicherstellung der Grundversorgung»
In den folgenden Jahrzehnten wurden weitere politische Anliegen über die Bundesbahn verwirklicht. Die umfassende Elektrifizierung, die in der Zwischenkriegszeit erfolgte, diente nicht nur der Unabhängigkeit des ausländischen Energieträgers Kohle, sondern als auch als staatlich initiierte Arbeitsbeschaffungsmassnahme in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Ab den 1970-er Jahren folgten Umweltanliegen und der Aufbau einer Verlagerungspolitik. Im Gegenzug war der Bund immer wieder bereit, die SBB finanziell zu unterstützen und sich an verschiedenen Sanierungsaktionen zu beteiligen.
Mit der Bahnreform wurde ein Jahrhundert nach ihrer Gründung die SBB von einem Verwaltungszweig zu einem selbständigen Unternehmen in Form einer spezialgesetzlichen Aktiengesellschaft umgestaltet. Die politischen und finanziellen Vorgaben blieben aber beim Bund - bis heute. Die SBB soll zwar wirtschaftlich effizient geführt werden, im Vordergrund steht aber die Umsetzung volkswirtschaftlicher und verkehrspolitischer Ziele und die Gewährleistung des Service Public. Als Eigner nimmt der Bund über Ziel-Vorgaben Einfluss auf die Tätigkeit der SBB. Heute erwartet er von der SBB «einen Beitrag zur Förderung des öffentlichen Verkehrs, zur Verlagerung des Verkehrs von der Strasse auf die Schiene und zur Sicherstellung der Grundversorgung».