175 Jahre Eisenbahn – und 170 Jahre Eisenbahngesetz

Vor 175 Jahren fuhr mit der «Spanisch-Brötli-Bahn» die erste Eisenbahn in der Schweiz. Das Bundesamt für Verkehr beleuchtet im Jubiläumsjahr in den «BAV News» verschiedene Aspekte der schweizerischen Bahngeschichte. In dieser Ausgabe geht es um das Eisenbahngesetz als Basis-Regelwerk für Bau, Betrieb und Weiterentwicklung der Eisenbahn.

Bild der Bundesratsbotschaft für das zweite Eisenbahngesetz
Fünf Jahre nach Inbetriebnahme der «Spanisch-Brötli-Bahn» setzte das Parlament das erste Eisenbahngesetz in Kraft.
© BAV

Fünf Jahre nach Inbetriebnahme der «Spanisch-Brötli-Bahn» setzte die Bundesversammlung das erste Eisenbahngesetz in Kraft. Dieses ist bis heute das Basis-Regelwerk für die Bahn, hat aber selbstverständlich im Verlauf der Geschichte unzählige Anpassungen erlebt.

Nachdem sich das Parlament gegen eine Eisenbahn im Staatsbesitz ausgesprochen hatte, überliess es im ersten Eisenbahngesetz von 1852 die Konzessionierung der Privatbahnen den Kantonen. Der Bund hatte nur die Kompetenz, die kantonalen Konzessionen zu genehmigen. Einziger möglicher Ablehnungsgrund war die Verletzung der militärischen Interessen der Eidgenossenschaft. Vorgaben des Bundes gab es nur zu den wesentlichsten technischen Fragen. Geregelt wurde namentlich die Spurweite (4 Fuss 8½ Zoll = 1,435 m). Das war die Grundlage für das heutige Normalspurnetz. Weiter legte der Bund «die Pflicht der Eisenbahnunternehmungen zur Gewährung des Anschlusses untereinander» fest. Überdies hielt er die Bahnen dazu an, Militärtransporte zur Hälfte der niedrigsten von ihnen angewendeten Taxe durchzuführen und sicherte sich die Kompetenzen bei Eisenbahnangelegenheiten im Verhältnis zum Ausland.

Bald wurde klar, dass dem Bund im Eisenbahngesetz mehr Kompetenzen eingeräumt werden mussten. Einerseits, weil sich die Kantone gegen die starken Bahnunternehmen oftmals nicht durchsetzen konnten und sich verschiedene Bahnen befehdeten. Andererseits, weil mit dem Staatsvertrag zur Gotthard-Bahn der Bund eine aktivere Rolle erhielt.

Das zweite Eisenbahngesetz

Mit dem zweiten Eisenbahngesetz von 1872 übernahm der Bund das Recht der Konzessionserteilung und die Kontrolle über Bau, Betrieb, Tarif- und Rechnungswesen der Eisenbahnen. Er übernahm auch die Funktion der Baubewilligungsbehörde im Eisenbahnwesen («Plangenehmigungen») und eine Aufsichtsfunktion bei der Pünktlichkeit.

Weiter umfasste das zweite Eisenbahngesetz Vorgaben zur technischen Vereinheitlichung, unter anderem der Wagentypen. Während in der Westschweiz das vom Bundesrat als «englisches System» bezeichnete System mit Abteilwagen zum Einsatz kam (geschlossene Abteile, die nur über eine Aussentür erreichbar waren und keinen Personenfluss im Wagen ermöglichten), waren im Rest des Landes meist Grossraumwagen des «amerikanischen Systems» im Einsatz, die bei den Reisenden deutlich beliebter waren. Der Bundesrat schaffte die Voraussetzungen, dass nach einer Übergangsphase nur noch letztere zugelassen wurden. In Artikel 29 des Eisenbahngesetzes hielt er fest: «Die Wagen aller Klassen sollen zur Nachtzeit beleuchtet und zur Winterzeit gehörig geheizt, sowie mit Vorkehrungen gegen den Zutritt der Sonnenstrahlen versehen sein.»

Das Eisenbahngesetz wurde mit einer Reihe weiterer Gesetze und Verordnungen ergänzt. Verschiedene davon galten gleichzeitig für die vom Bunde konzessionierten Schiffahrtsbetriebe.

Das dritte Eisenbahngesetz

Das totalrevidierte dritte Eisenbahngesetz wurde am 20. Dezember 1957 verabschiedet und trat am 1. Juli 1958 in Kraft. Es löste nicht nur nach 85 Jahren das Vorgängergesetz von 1872 ab, sondern weitere 15 Bundesgesetze und -beschlüsse im Eisenbahn- und Schifffahrtsbereich. Verschiedene Bestimmungen wurden nun zusätzlich auch für Trolleybus- und Seilbahnunternehmen als anwendbar erklärt.

Nebst vielem anderem wurden 1957 die Vorgaben für die Plangenehmigungsverfahren und die Vorgaben für Kreuzungen von Bahn und Strasse inkl. dem entsprechenden Kostenteiler umfassend revidiert. Das Gesetz legte – nach verschiedenen ad-hoc-Finanzspritzen namentlich in der Kriegs- und Zwischenkriegszeit - auch die Grundlage für eine dauerhafte finanzielle Unterstützung der Bahn durch den Staat.

Rund 40 Mal revidiert

Das Eisenbahngesetz von 1957 ist in den Grundzügen weiterhin gültig, doch wurde es rund 40 Mal teilrevidiert. Mit der Revision 1995 wurde die Finanzierung wesentlich umgebaut und für sämtliche Verkehrsmittel (Seilbahnen, Schiffe, Busse) vereinheitlicht. Mit der neuerlichen Revision des Gesetzes 2010 wurden die Finanzierungsregeln im Gesetz auf die Eisenbahninfrastruktur beschränkt. Die Finanzierung des Betriebs von Bahnen, Schiffen und Bussen wurde in das neu gestaltete Personenbeförderungsgesetz überführt. Mit dem Personenbeförderungsgesetz, welches auch die anderen verkehrsmittelübergreifenden Vorschriften übernahm, wurde das Eisenbahngesetz wieder zu einem Gesetz für die Eisenbahn alleine.

Zuletzt ist das Eisenbahngesetz 2020/21 substanziell angepasst worden. Mit den Änderungen wurde mehr Transparenz im Eisenbahnsystem geschaffen, der diskriminierungsfreie Zugang der Bahnunternehmen zu den Netzen anderer Bahnen gewährleistet und die Effizienz erhöht. Das Eisenbahngesetz ist damit heute weiterhin das Rückgrat für die Vorschriften, welche einen sicheren, effizienten und international kompatiblen Betrieb der Bahn sicherstellen. Im Fokus stehen der Bau, die Finanzierung und die Planung sowie die Sicherheit der Bahn-Infrastruktur. Für das Funktionieren das gesamten öV-Systems braucht es weitere Gesetze wie das Personenbeförderungs- und das Gütertransportgesetz. Dazu kommt eine grosse Zahl Verordnungen. Die Rechtsentwicklung ist nicht abgeschlossen, nächste Änderungen des Eisenbahngesetzes sind bereits aufgegleist.

 

BAV-News Nr. 98 April 2022

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