Fernbusse als Chance für Kunden, Tourismusgebiete, Umwelt und Steuerzahlende

Die Schweiz ist ein Bahnland. Der öffentliche Verkehr findet primär auf der Schiene statt, die Regional- und Ortsbusse ergänzen dieses Angebot in den Städten oder auf dem Land. So ist die allgemeine Wahrnehmung. Fernbusse passen nicht in dieses festgefügte Bild, obwohl auch sie öffentlicher Verkehr (öV) sind.

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© Eurobus

In den letzten Jahren hat sich die Rolle der Busse wesentlich verändert. Im Ausland - leider hilft das bei der schweizerischen Diskussion nicht - haben Fernbusse durch die Öffnung der Märkte eine neue Bedeutung erhalten. In Deutschland und Frankreich hat die Politik die Zügel für Fernbusse gelockert und es hat sich ein dynamischer Verkehr entwickelt. Diese Busse fahren zunehmend auch in die Schweiz. Die Erfahrungen in Deutschland zeigen, dass nach wenigen Jahren insgesamt mehr Personen mit dem öffentlichen Verkehr, d.h. mit Bahn und Bussen verkehren, als vor der Liberalisierung.

Die grenzüberschreitenden Fernbusse sind durch internationales Recht geregelt. Sie bedürfen einer Bewilligung durch das Bundesamt für Verkehr und diese Bewilligung wird erteilt, wenn die gesetzlichen Vorschriften eingehalten sind. Die Unternehmen müssen unter anderem das Kabotage-Verbot einhalten, das heisst, dass sie zwischen Halteorten im Inland keine Personen transportieren dürfen. Dieses Verbot wird durch Kontrollen des Zolls, der Polizei und des BAV durchgesetzt, wobei eine 100-prozentige Durchsetzung ebenso wenig möglich ist wie bei den Schwarzfahrern im öffentlichen Verkehr. Diese Fernbusse bieten einem preissensiblen Publikum attraktive Verbindungen an. Für das Tourismusland Schweiz sind diese Verbindungen von grosser Bedeutung. Sie bringen zusätzliche Gäste ins Land. Diese benutzen in der Schweiz den öffentlichen Verkehr, denn sie reisen ohne eigenes Fahrzeug an. Die Verkehrskommission des Nationalrats verlangt auch deshalb, dass die Schweiz diese Busverkehre mit besseren Haltestellen attraktiver macht.

Im Gefolge dieser internationalen Entwicklung haben sich Schweizer Busunternehmen überlegt, ob sie inländische Fernbusverbindungen anbieten könnten. Zurzeit liegen dem BAV zwei Konzessionsgesuche vor. Diese stützen sich auf das seit Jahren geltende Gesetz, das für alle regelmässigen Personentransporte gilt und für den inländischen Verkehr keinerlei Unterschiede macht, weder zwischen einem Bahn- oder Bustransport noch zwischen Fern-, Regional- und Ortsverkehr. Wie alle anderen auch, müssen Busunternehmen die gesetzlichen Pflichten (Transportpflicht, Tarifpflicht, Fahrplanpflicht, Arbeitszeitgesetz etc.) einhalten und branchenübliche Löhne bezahlen. So wird sichergestellt, dass sie den Angestellten anständige Arbeitsbedingungen mit schweizerischem Standard bieten. Zudem werden sie in das Tarifsystem des öffentlichen Verkehrs eingebunden, sie anerkennen Halbtax und Generalabonnement. Für den öffentlichen Verkehr ungewöhnlich ist, dass sie keine Subventionen beanspruchen. Das BAV wird diese Gesuche in Anwendung des geltenden Rechts beurteilen. Dieses sieht vor, dass neue Angebote bestehende konzessionierte Linien nicht „wesentlich“ konkurrenzieren dürfen. Der Gesetzgeber hat damit festgehalten, dass die bisherigen, subventionierten Angebote in ihrer Existenz geschützt werden, dass neue Verbindungen aber möglich sein sollen, selbst wenn das in beschränktem Umfang eine bestehende Linie trifft. Damit ist sichergestellt, dass die subventionierten Angebote zweckmässig geschützt sind.

In der Verkehrskommission des Nationalrates wurde nun eine Gesetzesänderung eingebracht, welche den Schutz der bestehenden subventionierten Regionalstrecken verstärken soll. Neue Angebote dürfen bestehende Verbindungen nur ergänzen und sie nur „minimal“ konkurrenzieren. Eigenwirtschaftliche Angebote erhalten dagegen nur dann Schutz, wenn sie „im Bestand gefährdet“ sind. Private Anbieter, welche öffentlichen Verkehr ohne Subventionen fahren,  werden also deutlich schlechter geschützt als subventionierte Anbieter ohne finanzielles Risiko. Begründet wird dies mit dem Schutz der öffentlichen Gelder.

Diese Situation ist paradox: Eine mögliche neue Busverbindung, welche für die öV-Kunden attraktiv, preislich günstig und für die Steuerzahlenden kostenlos ist, dürfte nicht bewilligt werden, da sie eine subventionierte Linie ein wenig mehr als bloss minimal konkurrenzieren könnte. Wie weit diese schwierige Abgrenzung überhaupt zweckmässig umgesetzt werden kann, bleibt zu klären. Die Kunden sollen weiterhin die Regionalzüge benützen – oder mit dem Privatauto fahren. Die Steuerzahlenden, die bereits heute jeden Tag mit fast sechs Millionen Franken den Betrieb des Regionalverkehrs subventionieren, sollen jedes Jahr mehr bezahlen. Gleichzeitig müssten neue mit Privatkapital finanzierte Busverbindungen ein höheres Risiko tragen.

Die Politik versucht damit, eine Entwicklung aufzuhalten, welche sich in den letzten Jahren in verschiedenen Ländern durchgesetzt hat: Bessere, häufigere, billigere und subventionsfreie öV-Angebote dank neuen Busangeboten. Sie schützt damit nicht den öffentlichen Verkehr, sondern einzig die subventionierten Transportunternehmen. Die Leidtragenden sind die öV-Kunden, denen neue attraktive und günstige öV-Angebote verwehrt werden. Dazu kommen die Tourismusgebiete, die auf neue, dringend benötige Gäste verzichten müssen, die Umwelt, die nicht von weniger motorisiertem Individualverkehr profitieren kann. Und nicht zuletzt die Steuerzahlenden, die laufend mehr für subventionierte Angebote berappen müssen.

 

BAV-News Nr. 57 Februar 2018

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