Lehren aus dem Fall PostAuto

Das BAV hat bei der PostAuto AG rechtswidrige Umbuchungen von Gewinnen aus dem subventionierten Regionalverkehr in Millionenhöhe aufgedeckt. Mit der von PostAuto in Aussicht gestellten Rückzahlung ist es nicht getan: Aus dem Fall müssen Lehren zum Bestellsystem im Regionalverkehr, zu Gewinnen in subventionierten Geschäftsbereichen, dem Verständnis von Service public und Ethik von öV-Verantwortlichen gezogen werden.

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Das Verhalten der PostAuto-Verantwortlichen lässt einen im ersten Moment sprachlos. Die gelben Postautos sind ein Markenzeichen und Rückgrat des öffentlichen Verkehrs (öV) und des Tourismuslandes Schweiz. Sie verkörpern eine legendäre Geschichte: Die Erschliessung des Landes bis in die Alpentäler mit öV. PostAuto geniesst hohe Anerkennung: verlässlich, solide, schweizerisch.

Doch dies scheint für die Verantwortlichen nicht gut genug gewesen zu sein. Irgendetwas fehlte, damit sie sich als gute Manager und Vertreter eines Unternehmens fühlen konnten. Es reichte nicht, dass die Kunden zum überwiegenden Teil zufrieden sind, dass PostAuto Marktführer im öffentlichen Busverkehr ist, dass der selbstfahrende Bus mit der Marke PostAuto verbunden ist oder dass PostAuto das Angebot in die Nachbarländer ausdehnen konnte.

Das letzte Quäntchen Anerkennung versprachen sich die Verantwortlichen durch 'Gewinn'. Im nationalen Fernbusverkehr wäre diese Herausforderung zu finden gewesen und PostAuto wäre dazu prädestiniert, ein optimales, kundenfreundliches und gewinnbringendes Angebot zu erbringen. Sie versuchten es stattdessen mit aufwändigen buchhalterischen Tricks.

Das BAV wird die Lehren aus diesem Fall ziehen. Ein noch stärker administriertes und kontrolliertes Bestellsystem kann nicht das Ziel sein. Es ist an den Organen der Transportunternehmen sicherzustellen, dass die internen Kontrollprozesse so ausgestaltet sind, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt werden, die Rechnungslegung korrekt ist und mit den Offerten im von Bund und Kantonen bestellten Regionalen Personenverkehr (RPV) nur die effektiv ungedeckten Kosten geltend gemacht werden. Wenn Zweifel an den Eingaben bestehen, wird das BAV nicht zögern, vertiefte Abklärungen und Revisionen durchzuführen. Auch weitere Ausschreibungen im Busbereich könnten helfen. Dies lässt sich mit dem Fall PostAuto belegen: Bei Ausschreibungen von Linien hat PostAuto konkurrenzfähige Offerten eingereicht. Wenn sie als Monopolist auftreten konnte, wurden Gewinne abgeschöpft und versteckt.

Als Lehren gilt es weiter folgendes festzuhalten:

  • Richtigen Gewinn gibt es nur, wenn man keine Subventionen bezieht. Der Abbau von Subventionen oder zumindest die laufende Erhöhung der Subventionseffizienz gehört in die Zielsetzung jedes Kadermitglieds einer öV-Unternehmung.
  • Service public ist Dienst am Kunden, an der Öffentlichkeit und am Steuerzahlenden. Der Kunde steht im Mittelpunkt, alle Anstrengungen sind auf den Kunden auszurichten. Wenn alle Kunden, die Besteller und die Steuerzahlenden zufrieden sind, darf auch der öV-Manager mit sich zufrieden sein.
  • Eine Kadertätigkeit in einem staatsnahen oder hoch-subventionierten Unternehmen ist anspruchsvoll, weil unterschiedliche Zielsetzungen im Gleichgewicht zu halten sind: hohe Kundenzufriedenheit, tiefe Subventionen, zufriedene Mitarbeitende, anspruchsvolle Öffentlichkeit, erwartungsvolle Politik. Gewinnmaximierung ist kein Ziel.
  • Im öV dominiert der Umgang mit fremdem Geld, Geld das zu einem grossen Teil von Steuerzahlenden stammt. Dies verlangt nach hoher Ethik, die jeder Mitarbeitende selber mitbringen muss.
  • Lobbying für mehr Subventionen und weniger Wettbewerb hilft dem öV nicht. Es zieht Missstände nach sich, die niemand will.


Nicht PostAuto allein, sondern auch der öV hat mit diesen Vorkommnissen Schaden genommen. Stellen wir sicher, dass es eine Ausnahme bleibt und die Öffentlichkeit auf die Leistungen und Ehrlichkeit des öV weiterhin vertrauen darf.

Peter Füglistaler
Direktor BAV


BAV-News Nr. 57 Februar 2018

Wissenswertes über das Bestellverfahren im RPV

In der Schweiz betreiben aktuell 120 Transportunternehmen rund 1'400 Zug-, Bus- und Schifflinien im abgegoltenen regionalen Personenverkehr (RPV). Die Angebote werden gemeinsam von Bund, vertreten durch das Bundesamt für Verkehr (BAV), und Kantonen bestellt und finanziert. Wobei jede Partei eine spezifische Rolle hat. Das Bestellverfahren und die Bedingungen, die die offerierenden Transportunternehmen einzuhalten haben, sind im Personenbeförderungsgesetz (PBG) sowie in der Verordnung über die Abgeltung des regionalen Personenverkehrs (ARPV) dargestellt. Der Ablauf ist wie folgt:

  • Das Bestellverfahren wird für zwei Fahrplanjahre durchgeführt. Die Kantone haben die Federführung im Bestellverfahren. Diese sind insbesondere bei der Festlegung des Angebotes, bei der Offertprüfung und bei  Abklärungen mit den Transportunternehmen sowie bei der Festlegung und Überprüfung der Leistungsqualität federführend (Art. 12 Abs. 2-3 ARPV). Die Offerten dürfen nur geplante anrechenbare Kosten enthalten.
  • Gestützt auf die Bedürfnisse der Kantone geben Bund und Kantone (Besteller) den Transportunternehmen Vorgaben zum gewünschten Angebot (Fahrplan) sowie zu den zur Verfügung stehenden Mittel vor. Aufgrund dieser Vorgaben erstellen die Transportunternehmen Offerten pro Linie. In den Offerten werden die geplanten Kosten sowie die erwarteten Erlöse aus dem Verkauf von Fahrausweisen ausgewiesen. Die Offerten müssen eine verbindliche Planrechnung für die einzelnen Fahrplanjahre der Fahrplanperiode wie auch Begründungen für Abweichungen gegenüber bisherigen Planungen, Vergabevereinbarungen, Zielvereinbarungen und letzter Jahresrechnung enthalten (Art. 28 und 31a PBG in Verbindung mit Art. 17 Abs. 3 ARPV). Die von den Transportunternehmen eingereichten Offerte müssen alle gesetzlichen Vorschriften einhalten.
  • Die im Bestellverfahren eingereichte Offerte ist rechtsverbindlich, dies im Gegensatz zu explizit verlangten Richtofferten (Art. 16 Abs. 5 ARPV). Falls Kantone und Bund als gemeinsame Besteller mit einer Offerte jedoch nicht zufrieden sind, so können sie das Transportunternehmen zur Einreichung weiterer Offertvarianten auffordern (Art. 18 Abs. 1 ARPV). Die Besteller weisen auf die Bereiche hin, wo Korrekturen und Anpassungen nötig sind. Es geht in dieser Phase um ein Bereinigungsverfahren, nicht um eine Verhandlung um den Preis.
  • Nach der Bereinigung der Offerten schliessen die Besteller mit den Transportunternehmen Angebotsvereinbarungen ab. In den Angebotsvereinbarungen werden das Angebot sowie die Abgeltungen und deren Aufteilungen auf Bund und Kantone geregelt.
  • Nach Abschluss des Jahres reichen die Transportunternehmen eine Ist-Rechnung pro Linie ein, welche die effektiven Kosten und Erträge und damit das Linienergebnis ausweist. Für die korrekte Erstellung dieser Rechnung sind die Transportunternehmen verantwortlich. Die Jahresrechnung ist ein wesentliches Element für die Festlegung der Abgeltung der kommenden Jahre.

 

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