Offenheit gegenüber der Digitalisierung – und der Weiterentwicklung des öV

Über dem Jahr 2017, das fast vorbei ist, steht das Wort 'Veränderung': An vielen Symposien wurde diskutiert, wie die Digitalisierung die Mobilität verändern wird: Digital, elektrisch und elektronisch, individuell und auf jeden Fall selbstfahrend soll die Mobilität werden. Es besteht noch wenig Klarheit darüber, wie schnell diese Entwicklungen eintreten und welche Auswirkungen sie haben werden. Unzweifelhaft werden die neuen Möglichkeiten die Ansprüche an die Mobilitätsanbieter erhöhen. Gefragt sind Echtzeitinformationen statt gedruckte Fahrplanbücher, Connectivity statt stilles Geniessen einer Bahnfahrt, Mobilitätslösungen mit Apps statt Billet lösen am Schalter und vor allem: Offenheit statt Beharren.

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Viele Transportunternehmen haben grosse Erwartungen an die Digitalisierung. Ganz anders ist ihre Haltung gegenüber einer sanften und dosierten Weiterentwicklung des heutigen Systems des öffentlichen Verkehrs (öV): Braucht es wirklich Fernbusse im Schweizer öV oder sind wir nicht gut gefahren ohne diese Konkurrenz? Kann Wettbewerb im Schienenfernverkehr überhaupt funktionieren oder ist dieser prädestiniert für ein Monopol? Kann es gut gehen, wenn Apple Schweizer Bahnbillete verkauft, oder funktioniert das nur auf dem SBB-App?

Nicht nur die öV-Unternehmen stehen in diesem Spannungsfeld zwischen Veränderung und Bewahrung. Auch das Bundesamt für Verkehr (BAV) hat diesbezüglich die Positionen immer wieder neu auszuloten. Im Wesentlichen werden wir den eingeschlagenen Weg weiterführen:

  • Die Kundinnen und Kunden des öV erwarten zuverlässige, sichere und saubere Angebote im Schienen-, Bus-, Seilbahn- und Schiffsverkehr. Die Kundinnen und Kunden stehen im Zentrum, ihre Ansprüche werden weiter steigen.
  • Das Verkehrswachstum wird in den nächsten Jahren überwiegend durch konventionelle Ausbauten bewältigt. Dies ist der Kern der Vorlage zum Bahn-Ausbauschritt 2035, mit dem wir eine Antwort präsentieren, wie das grosse Nachfragewachstum im öV aufgefangen werden soll.
  • Die Grundversorgung in der Schweiz wird durch bestellte Verkehre sichergestellt, welche Bund und Kantone gemeinsam finanzieren. Dies bleibt das Rückgrat des flächendeckenden öV, auch wenn die unternehmerischen Anreize verbessert, die Bestellprozesse optimiert und das öV-Angebot mit einzelnen selbstfahrenden Fahrzeugen ergänzt werden.
  • Im Güterverkehr setzen wir die Verlagerungspolitik durch den weiteren Ausbau der europäischen Eisenbahnkorridore und die Gewährleistung attraktiver Trassen um. Die Unterbrechung der Rheintallinie bei Rastatt hat Mängel im internationalen Güterverkehr aufgezeigt, welche wir in Abstimmung mit den Nachbarländern gezielt angehen.
  • Die öffentliche Hand wird auch in Zukunft in beträchtlichem Umfang in die Mobilität investieren. Die effiziente Verwendung dieser Mittel bleibt ein Dauerauftrag. Es ist eine wichtige Aufgabe des BAV, auch die Interessen der Steuerzahlenden zu wahren.

 

Darüber hinaus bleibt das BAV offen für die Chancen, welche die Digitalisierung bietet. Wir fördern Innovationen finanziell und mit pragmatischen Zulassungsverfahren. Wir sind offen für neue Angebote wie Fernbusse, welche das gute öV-Netz ergänzen. Wir setzen auf einen Ideenwettbewerb zwischen den Transportunternehmen, welcher den öV noch attraktiver macht. Und wir ermöglichen neue Mobilitätsangebote durch die freie Verfügbarkeit von Informationen und einen geregelten Zugang zu den Vertriebskanälen.

Schliessen will ich mit Charles Darwin: „Es ist nicht die stärkste Spezies, die überlebt, auch nicht die intelligenteste, es ist diejenige, die sich am ehesten dem Wandel anpassen kann.“ Diesbezüglich sind öV-Unternehmen und Verwaltung gleichermassen gefordert.

Ich wünsche Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, frohe Festtage und ein schönes, erfolgs- und veränderungsreiches Jahr 2018.


Dr. Peter Füglistaler
Direktor BAV

 

BAV-News Nr. 56 Dezember 2017

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