Für den Service public - gegen die Initiative

Wir sind alle für einen starken Service public: Wir wollen moderne, qualitativ hochstehende Leistungen zu vertretbaren Preisen, die allen Schweizerinnen und Schweizern unabhängig ihrer sozialen Stellung und geografischen Wohnlage zur Verfügung stehen. Um dieses Ziel zu erreichen brauchen wir aber nicht die Volksinitiative „Pro Service public“, welche am 5. Juni in die Abstimmung kommt.

Die Schweiz kann stolz sein auf ihren Service public. In vielen Ländern ist dieser Begriff mit den vier A's verbunden: Leistungen für Auszubildende, Arme, Alte und Alternative. In der Schweiz aber wird dieser Begriff anders interpretiert: Die ganze Bevölkerung nimmt die Leistungen der Post, der Swisscom und der Schweizerischen Bundesbahnen in Anspruch. Diese Unternehmen haben die Qualität ihrer Leistungen über die Zeit von Liberalisierung, Privatisierung und Sparprogrammen hoch gehalten und sie sogar weiter ausgebaut.

Die Pro Service public-Initiative nimmt für sich in Anspruch, dieses Grundangebot noch besser und günstiger zu machen: Gewinne und Quersubventionen sollen im Bereich der Grundversorgung verboten und bei den Löhnen soll Mass gehalten werden. Auf den ersten Blick kann man kaum dagegen sein. Der öffentliche Verkehr (öV) wurde in den letzten Jahren teurer (aber auch viel besser), die Züge waren früher pünktlicher (nur gab es viel weniger davon) und das Wägeli wird im Fernverkehr bald vielen fehlen (auch wenn das Angebot in den Bahnhöfen besser und günstiger ist).

Der öV hat sich in den letzten Jahren in einer Dynamik entwickelt, wie es vor 20 Jahren kaum denkbar und - vor allem - wie es in den Strukturen von Staatsbetrieben kaum möglich gewesen wäre. Die Pro Service public-Initiative will nun das Rad der Zeit zurück drehen und mit den Regeln der guten alten Zeit die zukünftigen Herausforderungen bewältigen. Das ist der grosse Widerspruch dieser Initiative. Mit alten Rezepten kann die Zukunft und das absehbare Wachstum nicht bewältigt werden.

Selbstverständlich kann sich der Service public weiter verbessern. Die halbstaatlichen Unternehmen wären gut beraten, sich ihrer speziellen Rolle öfters bewusst zu sein. Sie stehen unter permanenter Beobachtung der Öffentlichkeit. Gute Qualität nehmen die Kunden sehr wohl wahr. Die Gewinnorientierung motiviert die Unternehmen, in Dienstleistungen und Produkte zu investieren, die den Service public noch attraktiver machen. Gewinnmaximierung im Service public wird hingegen von niemandem erwartet. Die Höhe des Gewinnes ist für ein Unternehmen, das zum grossen Teil subventioniert ist, kein Mass dafür, ob eine Unternehmensleitung gut oder schlecht arbeitet. Wichtig ist in erster Linie die finanzielle Transparenz über die Leistungserbringung. Diese ist eine Selbstverständlichkeit und in der aktuellen Gesetzgebung schon genügend verankert.

Der emotionalste Teil der Pro Service-public-Initiative ist die angestrebte Begrenzung der Löhne. Augenmass wäre hier sicher angezeigt. Nur lässt sich diese nicht über die Verfassung verordnen. Ein Ja zur Initiative würde auf Jahrzehnte jede Flexibilität in der Regelung der Löhne erschweren. Die Bestimmung spielt mit Emotionen und mit dem (falschen) Reflex, dass ein tieferer Lohn eines CEO zu einem besseren Service Public führe. Fakt ist: Ein CEO der SBB wird während seiner ganzen Karriere nie so viel verdienen, wie ein CEO einer Schweizer Grossbank als Antrittsgeld erhält.

Schaffen wir die Möglichkeiten, dass sich die hohe Qualität des Service public und des öffentlichen Verkehrs in der Schweiz weiterentwickeln können, benennen wir die Schwächen und Fehler und beseitigen wir diese - die Pro Service public-Initiative braucht es dafür nicht.

Peter Füglistaler
Direktor BAV

BAV-News Nr. 41 Mai 2016

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