2. Röhre am Gotthard als Wende in der Verkehrspolitik?

Am 28. Februar hat sich die Mehrheit der Stimmenden für einen weiteren Tunnel am Gotthard entschieden. Zwischen Airolo und Göschenen wird ein neuer Strassentunnel gebaut und ab 2030 sollen die beiden Röhren je einspurig betrieben werden. 27 Jahre nach der Annahme der Alpeninitiative: Ist das eine Wende in der Schweizer Verkehrspolitik?

gotthardstrasse Richtung Norden
Mit einem 2. Gotthard-Strassentunnel wird die Sicherheit erhöht und die Verlagerungspolitik weitergeführt.

Meiner Überzeugung nach nicht. Im Gegenteil: Es ist eine Bestätigung, dass die Massnahmen zur Verlagerung des alpenquerenden Strassengüterverkehrs auf die Schiene funktionieren. Es ist nicht länger nötig, die letzte Strecke von 15 Kilometer mit Gegenverkehr auf der Nord-Südstrecke in der Schweiz beizubehalten. Der Bericht über die Verkehrsverlagerung vom November 2015 zeigt den nachhaltigen Erfolg dieser Politik. Die Zahl der Lastwagenfahrten durch die Alpen ist zwischen dem Jahr 2000 und Ende 2015 um fast 400'000 Fahrten gesunken. Die Schiene gewinnt im alpenquerenden Verkehr ständig Marktanteile und lag Ende 2015 bei 69 Prozent. Dies entspricht dem höchsten Wert seit der Einführung der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA) und der schrittweisen Anhebung der Gewichts-Limite seit 2001. Diese Entwicklung ist einmalig auf europäischen Transitstrecken. Sie ist die Folge der konsequenten schweizerischen Verkehrspolitik mit nachhaltigen Massnahmen im Bereich der fiskalischen Belastung des Strassengüterverkehrs und der Förderung des Schienengüterverkehrs. Mit der europäischen Union ist diese Politik im Landverkehrsabkommen abgesichert.

Die Umweltbelastung sinkt dank dem technischen Fortschritt in der Motorentechnologie kontinuierlich. Das Strassentransportgewerbe hat mit der Anschaffung von modernen, schadstoffarmen Lastwagen massgeblich dazu beigetragen, auch wenn es anfänglich von der Politik dazu angehalten werden musste. Heute wird diese Politik von einem Grossteil der Strassengüterbranche mitgetragen, womit es an der Zeit ist, die Grabenkämpfe zu beenden und die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Der kombinierte Verkehr zeigt, dass mit dieser Zusammenarbeit der Gütertransport erfolgreich bewältigt werden kann. 

Mit der Eröffnung des Gotthardbasistunnels in diesem Jahre, dem durchgehenden 4-Meter-Korridor und der Eröffnung des Ceneri-Basistunnels im Jahr 2020 wird die durchgehende Flachbahn auf der Nord-Süd Achse Realität. Zusätzlich hat der Bundesrat entschieden, die LSVA für die älteren Lastwagen auf das Jahr 2017 zu erhöhen und den Rabatt von 10 Prozent für Euro-VI-Lastwagen aufzuheben. Gleichzeitig wird dem Schienengüterverkehr ein befristeter Trassenpreisrabatt bis Ende 2021 gewährt. Damit werden zusätzliche Anreize geschaffen, die Güter im kombinierten Verkehr durch die Schweiz zu transportieren.

Diese Massnahmen sichern den Erfolg der Verlagerungspolitik ab. Bis die Flachbahn im Jahr 2020 vollendet ist, wird der Schienenverkehr noch mit einigen Einschränkungen und vielen Baustellen zu kämpfen haben. Anschliessend ist zu hoffen, dass der Schienenverkehr in vergleichbarem Ausmass in neue Lokomotiven und insbesondere Wagenmaterial investiert, wie die Strasse in den letzten Jahren Investitionen in neue Fahrzeuge getätigt hat.

Ein grosser Teil der Bevölkerung erachtete es als vernünftig, dass bei der Strasse die gleichen Regeln gelten sollen wie bei der Schiene: Lange Tunnel werden richtungsgetrennt geführt und das Sicherheitsniveau soll hochgehalten werden. Das Volk hat am 28. Februar zu einer entkrampften Weiterführung der Verlagerungspolitik Ja gesagt und hat damit einen vernünftigen Entscheid gefällt - wie das Volk am 28. Februar ohnehin sehr vernünftig abgestimmt hat.

Peter Füglistaler
Direktor BAV

 

BAV-News_Nr. 39_März 2016

https://www.bav.admin.ch/content/bav/de/home/publikationen/bav-news/ausgaben-2016/ausgabe-maerz-2016/artikel-1.html