Drei Fragen an Jonathan Zimmerli

Die Geschäftsstelle KOVE im BAV ist zuständig für die Koordination des Verkehrswesens im Hinblick auf Ereignisfälle. Sie wird von Jonathan Zimmerli geleitet. Der ESöV-Newsletter hat den studierten Militärhistoriker zum Interview getroffen.

Auch wenn das manchmal vergessen zu gehen droht: Krisen gab es in der Geschichte der Menschheit zuhauf und immer wieder. Der französische Philosoph, Aufklärer sowie Literatur- und Kunsttheoretiker Denis Diderot schrieb 1779 in einem Essai: «[…] in Krisenzeiten ist die Jugend gemeinhin klüger als das Alter.» Regt die Jugend auch in der aktuellen Krise kluge Entscheidungen an? Eine Frage, die wohl erst die Geschichtsforschenden der Zukunft beantworten können.

ESöV-Redaktion: Herr Zimmerli, was hilft Ihnen Ihr Wissen über Militärgeschichte in der aktuellen Situation resp. überhaupt für Ihre Arbeit beim BAV?

Jonathan Zimmerli: Die Geschäftsstelle KOVE setzt sich mit Bedrohungen (Krieg, Terrorismus) und Gefahren (Naturereignisse, Pandemien, Strommangellagen) auseinander. Die Geschäftsstelle ist dafür verantwortlich, Konzepte zu erstellen um den öV auch in Krisensituationen aufrechtzuerhalten. Sie hat ihre Wurzeln im Militärbereich und wurde vor 20 Jahren ins BAV integriert.

Die Militärgeschichte befasst sich mit Prozessen und Organisationen in Ausnahmesituationen; die Themen der Geschäftsstelle sind sehr ähnlich. Dazu kommt, dass Krisenorganisationen, auch zivile, generell nach militärischen Grundsätzen aufgebaut sind. Das Militär kann historisch betrachtet durchaus als Vorreiter im Krisenmanagement bezeichnet werden. Eine wesentliche Stärke des Militärs ist es, in chaotischen Zuständen die Übersicht zu gewinnen und dann auch Entscheidungen zu treffen. Weiter war sich das Militär schon immer gewohnt, in Szenarien und Optionen zu denken. Genau diese Denkweise macht auch die Geschäftsstelle KOVE aus.

Was lässt sich vielleicht auch gerade nicht übertragen – schliesslich haben wir ja hier und heute keinen Krieg?

Es ist wirklich so: Wir sind nicht in einem kriegerischen Zustand. Man gibt nicht einfach Befehle, die dann ausgeführt werden, sondern die aktuellen Massnahmen wurden im Dialog mit der Branche und den Systemführerinnen SBB und PostAuto AG erarbeitet. Die Transportunternehmen müssen zur freiwilligen Mitarbeit motiviert werden. Eine hierarchische Kommandostruktur wäre in der aktuellen Situation gänzlich ungeeignet.

Welche Chancen/Opportunitäten für einen energieeffizienteren und zuverlässigeren öV ergeben sich aus der aktuellen Situation?

Was sich generell sagen lässt: Krisen sind immer Chancen für Veränderungen. Denkmuster werden aufgebrochen, gänzlich neue Lösungen, die bis anhin als undenkbar galten, können zur ernsthaften Option werden. In der Schweiz sind wir grundsätzlich schon sehr weit punkto Energieeffizienz im öV. Die aktuelle Situation zeigt allerdings auch, dass die Schweiz keine Insel ist. Es macht nicht Sinn, allein vorwärtszugehen, das muss man in Europa gemeinsam tun. Man kann nicht einfach sein eigenes «Zügli» fahren.

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